Russland - 5. Teil
02.05.2019 – 09.05.2019
Leider können wir nicht nur tolles und schönes Berichten. So haben wir nach dem schönen Tag in Listvyanka das erste mal Probleme beim Campen am Angara Fluss. Der schon in der vorderen Nacht benützte Stehplatz am Ufer des Flusses wurde von drei betrunkenen Fischern besucht. Diese dachten, dass sie gleich zu uns in den Camper einsteigen könnten, ohne anzuklopfen natürlich. Die Lage wurde ernster und wir entschlossen uns den Platz zu verlassen. Etwa 5km weiter, wieder an einem Anglerplatz, hatten wir dann unsere Ruhe. Am Morgen konnten wir mit einem sehr freundlichen Fischer ein angenehmes Gespräch führen. Es zeigt wieder einmal, die Ausnahme bestätigt die Regel.
Zurück in Irkutsk ergänzen wir unsere Vorräte und leisten uns einen Ersatz für den zu Hause vergessenen Haarschneider. Über ausgeprägte Hügellandschaften, immer wieder die Trans-Sib im Blickfeld, kommen wir zur Süd-Westspitze des Baikalsees. In Kultuk biegen wir nach Westen ab, in das Tunka-Tal. Da lockt uns ein Wasserfall bei Arshan. Das Tal gehört schon zur Teilautonomen Republik Burjatien. Die Burjaten sind eine mongolische Volksgruppe die heute wieder ihren Buddhistischen Glauben pflegen darf (anders unter Stalin!). Das Tal wird im Norden von den Tunkinskiye Golttsy (bis 3200m) und im Süden durch den Urugudeyevskiy Golets (2750m) begrenzt. Beide Gebirgsketten sind noch tief verschneit.
In Arshan ist es ebenfalls ziemlich voll mit einheimischen Touristen. Ein Stellplatz für die Nacht zu finden war ohne Erfolg. So versuchen wir es 10km ausserhalb und werden neben jungen sibirischen Pinien fündig. Leider hat es auch viel Müll in der Umgebung, aber die Luft ist frisch und zum Schlafen reicht es allemal. Am Morgen war alles schön mit Neuschnee eingepudert, dennoch machten wir uns auf zum Vodopady Wasserfall. Der Bergweg ist entsprechend rutschig und wir wissen nicht genau, ob wir traurig oder froh sein sollen, als uns die Parkranger (die nennen sich echt so) die Umkehr empfehlen. Der 2 Stunden Marsch im verschneiten Wald war jedoch sehr erholsam. Zurück beim Auto kommen wir mit einer pensionierten Ärztin und Familie ins Gespräch. Die Jungen müssen ins englische Übersetzen und wir begreifen, dass sie total begeistert ist von unserem Camper. Mit bedauern stellt sie fest, dass sie mit der Rente gerade Überleben kann und Reisen sich höchstens in Bücher leistet. Zum Abschied segnet sie uns und wünscht eine gute Reise. Herzergriffen machen wir uns auf den Rückweg im leichten Schneetreiben.
In dieser Nacht hängt unser Auto voller Wäsche. Kurz vor Slyudyanka kommen wir unerwartet an einen super Truckstop: Duschen, Waschmaschine und Restaurant, alles vom feinsten. So bestellten wir uns den ein Kotelett mit Pommes. Die Pommes waren sehr gut, dass Kotelett stellte sich als Frickadelle vor, geschmeckt hat es auch! Nach dem Wäsche umhängen am Morgen, machten wir uns auf die Suche des Bahn-Museums. Wir konnten es auch finden, natürlich hinter dem Bahnhof. Entgegen der Tafel am Eingang und dem Beschrieb im Lonley Planet fand sich keine Menschenseele die uns Einlass gewährte?! Zumindest auf dem Hauptplatz hält eine Dampflok aus der Gründerzeit wacker die Stellung.
So kommen wir denn am Südufer des Baikalsee entlang, Richtung Ulan-Ude, der Hauptstadt Burjatsiens. Unterwegs besuchten wir noch das moderne, ja sogar selbstkritische Baikalmuseeum in Tankhoy. Hier wird nicht nur die Sonnenseite gezeigt, sondern mit interaktiven Beiträgen ein mehr an Umweltschutz eingefordert. Wie wir feststellten, für Russland eine dringende Notwendigkeit!
Diese Nacht verbringen wir am Selenge Delta, in Tolbazhikha, fast gegenüber der Insel Olchon. Vor uns eine geschlossene, knirschende Eisdecke die von Eisfischern immer noch durchquert wird. Zwischendurch macht sich das Eis mit lautem Knall bemerkbar. Vermutlich, wenn weit draussen weiteres Eis von Nordwesten gegen dass in der weiten Bucht liegende drückt. Am flachen Strand, den wir nicht erreichen, türmen sich die Eisschollen. Wir würden den Mut für eine Eiswanderung nicht aufbringen. Beim Spaziergang kommen wir mit Fischern ins «Gespräch» und es wird mir ein grosser Fisch in die Hände gedrückt, für ein «Siegesfoto». Später höre ich, dass diese Sorte sehr gut schmecken soll.
Bei einer Fahrt durch das Selenge Delta, die uns sehr gefallen hat, kommen wir zum Kloster in Posolskoye. Die Kosaken haben im 18. Jahrhundert den See überquert und dieses religiöse Zentrum für die Region gebaut. Wie wir ankommen ist der Gottesdienst zu ende und der Glöckner lässt ihn mit einem schönen Glockenspiel ausklingen (manuell).
Im Delta wird wenig Ackerbau betrieben, aber um so mehr Vieh auf die weiten Flächen getrieben. Natürlich wird kräftig Heu zugefüttert, die Grasnarbe ist ja noch bedenklich dünn. Neben den Nachfahren der Kosaken stellen die Burjaten den Hauptanteil an der Bevölkerung. Wie die vielen religiösen Stätten zeigen, sind diese dem Budismus und Schamanentum näher, als der russischen Kirche.
Aus der Fläche des Deltas kommen wir nach Selenginsk wieder in die Hügelzüge beiderseits des Selenga Flusses. Kurz vor Ulan-Ude machten wir im Taigapitch Camp Station. Von da besuchten wir die Stadt, die bis 1980 für Auswärtige «geschlossen» war. Besucher mussten div. Genehmigungen einholen, unter anderem auch beim Verteidigungsministerium wegen der Kriegswichtigen Industrie vor Ort. Fabriken für Lokomotiven, Wagons und Hubschrauber die u.a. in Afganistan zu traurigem Ruhm kamen, produzieren bis heute. Junge Leute wissen praktisch nichts von dieser Ära und die Fabriken zeigen heute ihre Erzeugnisse stolz in Betriebsmuseen. Geblieben ist jedoch, bei der entsprechenden Witterung, ein unheimlich starker Smog!
Das Wahrzeichen der Stadt ist bis heute das Monument von Lenin! Sein Kopf dominiert den zentralen Hauptplatz! Die Prachtstrasse, natürlich Leninskaja genannt, mit den üblichen Bauwerken, Theater, Oper und Zirkus, bringen etwas Grosstadtflair zwischen die tristen Zweckbauten der Fabriken. Ausserhalb, etwas integriert in einen Pinienwald, besuchen wir wieder ein Museum. Es soll einem die Geschichte und das Leben der Burjaten näher bringen. Der Ansatz ist gelungen, es werden Komponente aus der Steinzeit bis in die Gegenwart gezeigt. Leider scheint es an Geld zu mangeln, denn all die Exponate benötigen dringend eine Auffrischung. Am dringendsten der angegliederte Zoo! Traurig, wie die Viecher da gehalten werden!
Wir konnten der Stadt nichts mehr abgewinnen und waren froh wieder im Camp anzukommen. Insbesondere da es sich recht schwierig gestaltete, einen fahrbaren Untersatz zu finden. Schlussendlich organisierte am Bussbahnhof ein Taxi einen «Bekannten» der uns mit seinem rechts gesteuerten Vehikel aus der Stadt chauffierte. Inzwischen sind eine ganze handvoll Reisende aus allen möglichen Richtungen im Camp eingetroffen. Das sorgte für reichlich Unterhaltung. Mit einem feinen Brot von Olga, (das beste im Osten Russlands), der Mitbetreiberin des Camps, machten wir uns nach drei Nächten auf den Weg in die nahe Mongolei.
Auf dem Weg nach Süden machten wir noch einen Abstecher zum «Ivolginskiy Datsan», einem Kloster der Buddhisten das zum Teil die stalinistischen Pogrome überstanden hat. Mit der heute gewährten Religionsfreiheit ist einiges Instand gesetzt oder neu hinzugekommen. Das grösste Wachstum scheinen die Souveniershops erfasst zu haben. Beim Kaffeetrinken und studieren der Karte kommen wir zu der Erkenntnis, dass wir in der Theorie nur die Hälfte von Russland durchfahren haben! Bis zum «Kap Dezneva» an der Beringstrasse müssten wir nochmals 56 Längengrade durchqueren…
Die letzte Nacht verbringen wir am See Gusinoye. Leider gibt es da in der Nähe eine Kohlemine mit angeschlossenem Kraftwerk, dass trübte den Abschiedsschmerz von Russland zusätzlich. Wir können sehr positive Erlebnisse aus diesem riesigen Land und den sehr hilfsbereiten Menschen mit nach Hause nehmen und hoffen auch für uns in Europa, dass die Politiker noch den richtigen Umgang zu einander finden! Dasswidanja...
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