Sizilien - 1. Teil
19.05.2021 – 03.06.2021
Auf unserer Wanderung auf dem Damm des «Fiume d Agro» brennt uns die Sonne unangenehm in den Nacken. Wir geniessen dennoch die ungewohnte Flora um uns. In sizilianischer Manier kleben die Dörfer mit vielen Kirchen an den steilen Hängen. Eben eine solche, die «Santi Pietro e Paolo« wollen wir besuchen. Die im 12. Jahrhundert durch Anhänger von Ostrom (Bisanz) erbaute Kirche soll sich durch besondere Architektur und Bilder auszeichnen. Der aussergewöhnliche Baustiel können wir von aussen besehen bestätigen. Die Bilder bleiben uns verwehrt, die Gemeinde Siculo scheint noch nicht erfasst zu haben, dass sich Reisetechnisch in Italien nach der langen «Look down» Zeit wieder etwas tut. Also Bewundern wir das Bauwerk von aussen und staunen über die griechisch orthodoxen Einkerbungen über dem Portal.
Ja genau, wir sind in Sizilien und holen unsere geplante Reise vom Frühjahr nach. Alles klappte wie am Schnürchen und wir sind gesund und Munter hier unten angekommen. Über Chiasso reisen wir aus und kämpfen uns durch die Dörfer und um die Städte. Die erste Nacht verbringen wir in einem verwaisten Freizeitpark am Fluss bei Soncino. (östlich Crema). Am nächsten Morgen kommen wir auf den Staatstrassen nach Ferrara. Die Weiterreise nach Ravenna wurde jetzt erheblich eingeschränkt. Ausgerechnet der «Giro d'Italia» kommt uns entgegen. Entsprechend wurden wir immer wieder umgeleitet, gefühlt bei jedem Dorf in eine andere Richtung… Dennoch bleiben wir für eine Stunde stecken, bis die Velorenner auf der Schnellstrasse ausser Sichtweite passierten. Mittlerweile wollten auch wir noch ein paar Kilometer hinter uns bringen. Entgegen der geplanten Route benützen wir dazu die A14. Bei Grottammare fahren wir unter die dominante Burg und können mit Sicht auf die Adria herrlich einschlummern.
Die A14 benützen wir bis Foggia und biegen hier ab nach Melfi, dann weiter bis Ponteza. Landschaftlich sehr abwechslungsreich und schön, mit noch verschneiten Bergspitzen in der Ferne, dachten wir an keine Steigerung. Weiter auf der A3 durch die Berge des Apennin wurde alles noch getoppt. Kein Wunder, reit sich doch hier im Süden ein Naturpark an den nächsten. An dieser schönen und einsamen Strecke (kaum Verkehr) schieben wir noch eine Nachtruhe ein.
Am folgenden Vormittag schippern wir auf der Fähre über die Strasse von Messina, in strenger Begleitung von vier Polizeifahrzeugen. Beruhigt, dass keiner Fragen an uns stellt, erreichen wir am Sonntag in der Siesta den Stellplatz von St. Alassio Siculo. (südlich St. Teresa di Riva). Erschrocken nehmen wir den Rummel war, der nach dem Ende der nachmittäglichen Ruhe über uns hereinbricht. Als wir uns schon überlegten den Platz wieder zu verlassen, beruhigte uns «Capitano», der Aufpasser. Alle italienischen Gäste würden in der nächsten Stunde nach Hause fahren, wir erleben jetzt nur den, für uns Nordlichter, fast hemmungslosen Abschied. Zwei Stunden später bleiben noch vier Fahrzeuge auf dem Platz und es wurde «fast» ruhig. Zug, Autobahn und viele Singvögel bieten jedoch einen erträglichen Rahmen.
Capitano, so nennt er sich mit Leidenschaft selber, besucht uns gerne auf unserem Plätzchen. Er erklärt mit Enthusiasmus den Vulkanausbruch in der Nacht, der uns durch schwarzen, körnigen Niederschlag auf dem Tischli, und leider auch auf dem Solarpanel, aufgefallen ist. Theatralisch wirbt er dann für einen Besuch im Künstlerdorf Savoca. Wir wehren ab und möchten lieber die Touristenhochburg Taormina besuchen. Müssen aber feststellen, für den Bus sind wir schon viel zu spät dran. Wegen der «Pandemie» ist der Fahrplan massiv ausgedünnt worden?? Capitano setzt sich erneut italienisch in Szene, Mamma mia, ich fahre euch sofort zur Isola Bella, da könnt ihr alles anschauen und im Anschluss mit der Seilbahn in den Rummel-Ort hochfahren, Savoca wäre viel schöner...(natürlich alles auf sizilianisch ;-) Mama mia). Beinahe alle Dichter und Denker der letzten 200 Jahre haben sich über das schön gelegene Taormina ausgelassen. Also die hatten natürlich die Touristengruppen mit Fähnchen und Schildchen ihrer Führer noch nicht erduldet. Das griechische Amphitheater mit Sicht auf den rauchenden Vulkan Ätna jedoch ist echt sehenswert. Die Tour hat uns gefallen, die umständliche Rückfahrt mit dem unpünktlichen Bus weniger.
Beim Camper Service erledigen und Platzgebühr entrichten, tun wir Capitano kund, dass wir jetzt noch nach Savoca hochfahren würden. Er Strahlt und beschenkt uns mit einem Arm voller Zitronen und besten Wünschen für die Reise. Die Aussicht im Dorf ist wie versprochen. Die Künstler und Gemeindeverwaltung haben eine Rundwanderung kreiert, natürlich in Symbiose mit entsprechenden Shops und Werkstätten. Die Tatsache, dass Francis Ford Coppola hier Szenen von «Der Pate» gedreht hat, bleibt ebenfalls sehr nutzbringend und nachhaltig.
Unsere Weiterfahrt führt gegen den Uhrzeigersinn auf der Panoramastrasse um den rauchenden Ätna. Unter dem alten Nebenkrater M.S. Mana stehen wir für die Nacht und bewundern nicht den Vulkan, sondern das super Panorama hinunter ins Tal von Alcantara. Der Weg bringt uns nach Bronte, bekannt wegen den Pistazien Pflanzungen die sich vornehmlich auf der Caldera vom Ausbruch von 1693 befinden. Für jeden Baum wurde ein Trichter in das Vulkangestein geschlagen, wie ein Eierkarton. Eine unheimliche Plackerei für die tausende von Bäumchen. Die Gemarkung Bronte hat noch eine interessante Geschichte zu erzählen: Sie wurde dem englischen Admiral Nelson zur Belohnung für die Hilfe beim Niederschlagen des neapolitanischen Aufstandes vom Bourbonenkönig Ferdinand IV geschenkt. Er durfte sich Admiral Nelson Graf von Bronte nennen. Er hat seine Grafschaft nie besucht…
Wir schon und fahren wieder hinauf in Unmengen von Lava, zum alten Krater Ravolo. Geniessen eine schöne Wanderung auf gut ausgebauten Wegen mit spezieller Fauna. Noch früh am Nachmittag beschliessen wir die Weiterfahrt zum Refugio Sapienza, dem bekannten Ausgangspunkt für Touren am und auf den Ätna. Diese grosszügige Anlage, mit allem Nötigen und Unnötigen lässt uns erahnen, wie es in einer normalen Hochsaison hier zu und her geht. Es ist alles andere als Saison! Geschlossen und Ausser Betrieb Schilder allenthalben und keine 20 Personen vor Ort. So suchen wir eine nicht einsehbare Stelle weiter unten an der Strasse für unsere Nachtruhe. Diese war angenehm und die Sicht in das Lichtermeer von Catania einmalig.
Nach dem Frühstück ist ein deutliches Rumpeln zu hören, einem fernen Gewitter nicht unähnlich. Dann können wir zwischen zwei Baumgruppen deutlich einen Ausbruch vom Ätna beobachten. Ein super Schauspiel mit Nervenkitzel. Schnell packen wir zusammen und fahren wieder die Strasse hoch um einen noch besseren Ausblick zu haben. Das dachten sich auch andere Touristen und bald war eine kleine Rally hinauf zum Refugio im Gange. Hier oben ist deutlich das auswerfen von Lava aus dem Krater zu erkennen. Wo diese zu Tal fliesst, entsteht eine beeindruckende Dampfwolke. Da eigentlich nur noch erstarrte Lava um uns ist, verursacht die Vorstellung einer grossen Eruption doch etwas Hühnerhaut… Nach anderthalb Stunden hörte der Spuk auf, als wäre nichts gewesen. Also hinunter nach Paterno und von da zur SS121 um gemütlich ins Landesinnere zu fahren.
Bei Leonforte, eines dieser an einem Bergrücken klebenden typischen Städtchen, bewundern wir eine Viehtränke im Baustiel des Barock. Nicht nur der aufwändige Bau, sondern auch das viele Wasser aus vierundzwanzig Röhren verwunderte in diesem doch so trockenen Land. Diesen Ereignisreichen Freitag beschliessen wir auf dem schön abgelegenen Parkplatz der «Necropole de Realmese» (Felsengräber) nahe Enna.
Die Verwaltungsstadt liegt ca. 900 MüM und gilt als der «Nabel Siziliens». Alle Invasoren der Insel brachten den Ort unter Kontrolle und haben entsprechende Spuren hinterlassen. Heute dominiert noch immer das «Castello di Lombardia» über der Stadt. Der «Lohnenswerte Besuch» wie der Reiseführer empfiehlt, hinterlässt bei uns eher das Gefühl von Touristenabzocke! Der Aufstieg zum grossen Turm und gegenüber auf eine Aussichtsplattform sind abgesperrt, dabei ist gerade die Fernsicht rund um die Stadt das Spektakel! Sicher nicht die Unkraut überwucherten Burghöfe! Hier empfinden wir zudem den herumliegenden Müll richtig grässlich :-( Nur Giovanni konnte rühmen, hatte er doch hinter dem Verwaltungspalast einen Parkplatz mit der gewünschten Fernsicht…
Also geht es nach Süden, zuerst nach Pergusa. Der kleine See ist etwa zu einem drittel mit Schilf zugewachsen und mit einem Drahtzaun umgeben. Weil eben um diesen See eine Rennpiste für Motorsport führt (sorry, Steckdosen für E-Fahrzeuge konnte ich keine entdecken!!). Etwas weiter, nahe des Städtchens Aidone, ist die Ausgrabungsstätte «Morgantina». Diese bemerkenswerte Stätte erreichte ihre Blühte unter dem Imperium von Syrakus. Nach der endgültigen Unterwerfung durch Rom, wurde sie schon 100 v. Chr. Verlassen. Wie bestellt, durchwandern wir die Stätte in praller Nachmittagssonne, langsam kommen wir zur Überzeugung, dass die Siesta doch Sinn macht. Aber Altertümer wollen zwischen 9.00h und 18.00h besichtigt werden… Die Siesta ist vorbei, also können wir getrost noch ein paar Kilometer fahren. Unser Ziel, die berühmte «Villa Romana del Casale». Hier auf dem Parkplatz verbringen wir zu zweit die Nacht. Im nicht grossen Camper aus Karlsruhe ist eine Fünfköpfige Familie auf Ferientour, da ist schon Leben in der Bude…
Ein römischer Oligarch hat sich hier um 310 ein Häuschen geleistet, mein lieber Scholli. Die beinahe fünfzig Zimmer sind alle mit wunderbaren Mosaiken und Malereien versehen und ergeben ein gesamt Kunstwerk erster Güte. Die Malereien sind nur noch wage zu erkennen, um so mehr Beeindrucken die Mosaike!! Diese Darstellungen könnten Hinweise geben auf den Gelderwerb des Hausherrn, ist doch dem einfangen von Wildtieren in Afrika und deren Transport ins Reich, ein grosser Teil der Kunstwerke gewidmet. Rom brauchte über Jahrhunderte wilde Tiere in grosser Zahl für die Massaker in seinen Arenen (mein Gedanke). Eine Schlammlawine bedeckte bald einmal das Gebäude und sorgte für die gute Konservierung. Es bleibt zu hoffen, dass die heutige Verhüllung die gleiche Wirkung hat, Taubenkot ist schon jetzt ein Problem… Wir konnten als erste am Morgen diese Kunstwerke besichtigen. So können wir zeitig Richtung Siracusa weiterfahren.
Im Städtchen Caltagirone machen wir einen Zwischenstopp um die Keramikarbeiten vor Ort anzuschauen. Sechzig Familienbetriebe sollen mit der Herstellung dieser kleinen Kunstwerke ihr Auskommen finden. Allenthalben findet sich Keramikschmuck im Städtchen. Sehenswert das Gebäude der Keramikschule und die «la Scala» (Treppe). Diese malerischen Punkte im Ort können aber nicht all den Müll und die Anzeichen von Zerfall und Armut überdecken...
Etwas im Abseits finden wir den Weg zu den Nekropolen von Pantalica, Grabhöhlen in der tiefen Schluchten des Anapo Flusses. In der «Wildnis» gefällt es uns und wir bleiben gleich zwei Nächte. Die Grabhöhlen gehen auf die Urbevölkerung, die Sikuler zurück, ca. 1300 v. Chr. Hier findet man auch die einzige Ruine eines Steingebäudes des Volkes. Verfolgte byzantinische Christen benützten die Grabkammern als Rückzugsorte, grössere dienten sogar als Kapellen. Am zweiten Abend beginnt es zu Regnen, mal sehen wie es sich weiter entwickelt.
Nun, es ist am Morgen etwas bewölkt, aber angenehmes Reisewetter. Gegenüber der Schlucht begrüssen die Kirchenglocken von Sortino den neuen Tag. Zum greifen nahe, aber auf der Strasse mehr als 40km entfernt. So geht es den zurück, über Ferla zur SS124. Im Ort Buscemi bewundern wir neben den schönen Kirchenfronten das örtliche Museum. Der Ort selber nennt sich «Museumsdorf Siziliens» Mit Führung sind sechs im Dorf verteilte Haushalte mit Werkstätten in den zugehörenden Häusern zu Besichtigen. Tagelöhner, Kesselflicker, Schreiner / Küfer, Schmied, Schuhmacher und besser gestellter Bauer. Die sozialen Unterschiede werden auf einen Blick ersichtlich und sind sehr eindrücklich! So verwundert die grosse Emigration nach Amerika kaum mehr…
Etwa 6km vor Siracusa finden wir einen Camping mit Pool und altem Baumbestand mit vielen Singvögeln. Lästig sind am frühen morgen die Tauben und unzählig kläffende Hunde in der Nachbarschaft. Wir fahren mit unserem Giovanni zuerst zum Archäoligschen Prak Neapolis.
Die Tochter der Besitzerfamilie nimmt uns am nächsten Morgen, mit in die Altstadt von Siracusa, Ortigia. Ich zitiere: SYRAKUS- ein grosser, ein berühmter Name. Assoziationen von Dionysios und Archimedes, von Reichtum und Kultur, Grausamkeit und Geist. Die einmal mächtigste Stadt der westlichen Welt fasziniert durch bedeutende Altertümer, facettenreiche Umgebung und durch die Insel Ortigia, eine der schönsten Stadtlandschaften Siziliens, Weltkulturerbe… Drei Tage haben wir diesen Ort auf uns wirken lassen und sind beeindruckt. Insbesondere vom Domplatz und «Il Duomo». Er wurde nicht auf, oder an Stelle von, sondern in den griechischen Athena-Tempel integriert. Soll heissen: Das Fundament, die Säulen der Kirchenschiffe und Teile der Deckenkonstruktion sind der Tempel aus vorchristlicher Zeit. Im 7 Jh. ist der heute sichtbare Teil angefügt worden. Im 17 und 18 Jh. ist dann die Barocke Symbiose rund um den Platz geschaffen worden, sehr gelungen! Licht und Schatten sind auch hier nahe beieinander, so hatte das Archimedes Museum geschlossen. Der ÖV, wenn er dann fährt, findet kaum die richtigen Wege. So mussten wir einmal 2km zurücklaufen weil ein Fahrer nicht stoppen wollte. So geniessen wir jetzt bei Avola, in einer schönen Camping Anlage, das «Dolce far niente»