Sizilien - 2. Teil
04.06.2021 - 17.06.2021
1693 Ereignete sich schreckliches im Südosten Siziliens! Ein Jahrtausenderdbeben zerstörte fast alle Städte (Dörfer wie in Nordeuropa gibt es nicht). Die reiche Führungselite, Adelige und die kath. Kirche kamen schnell überein, ihre Residenzen neu auferstehen zu lassen. Es setzte ein Bauorgie ein und jeder Ort versuchte den anderen zu übertreffen! Trotz den vielen kriegerischen Auseinandersetzungen in der Vergangenheit, schien Geld keine Rolle zu spielen. Der stetige Strom von landwirtschaftlichen Gütern in den Export, insbesondere Getreide, förderte den Reichtum. Es wurden die besten Architekten auf die Insel geholt und im damals modernsten Barock die Ortschaften neu erschaffen. Natürlich nicht die Häuser der Handwerker und Landarbeiter! Diese hausten weiter in engsten Verhältnissen, mit einer barocken Front an der elenden Steinhütte. Die Stadt Noto überbot sie alle! Etwa 5 Kilometer von den Ruinen der zerstörten Stadt entstand das «barocke Wunderwerk» Mit streng quadratischen Strassen und Gässlein innerhalb einer ebenfalls neuen Stadtmauer?! Auf die wollte man den doch nicht verzichten?! Die Gassen wurden wieder so schrecklich eng gebaut, so dass ein Fuhrwerk kaum durchkommen konnte… Heute lieben die Touristen dieses Ambiente, die Bewohner leben aber zum grössten Teil in den neuen Stadtteilen, die nach den 1945er Jahren entstanden sind.
Wir verlassen am folgenden Tag das Agri-Camp bei Noto zwischen den Zitronenbäumen und fahren weiter gen Süden. Hässliche Plastik-Treibhäuser links und rechts der Küstenstrasse, bis kurz vor die Thoneria Marzamemi. rund um die alten Thunfisch-Verarbeitungshallen mit dem kleinen Hafen, ist ein netter Touristenort mit gepflegten Badestränden entstanden. Am Fischereihafen von Capo Passero, dass wir fälschlicherweise für den südlichsten Punkt hielten, konnten wir leider im Restaurant keinen Fisch essen. Der Grund, zwei sture Grinde. Ein Sizilianischer, der uns nicht auf der Terrasse sitzen lässt bis zur Öffnung in zwölf Minuten und ein Berner, der sich denkt, sie sollen doch ihren Fisch selber ...essen…!! So bleibt es beim üblichen Snack am späteren Mittag, jetzt aber wirklich am südlichsten Punkt, gegenüber der «Isola delle Correnti». Nebenbei, wir stehen hier auf der afrikanischen Kontinentalplatte, südlicher als Tunis!
Auf Nebenstrassen, richtung Pozzallo wird es eklig. Aus den Treibhäusern strömt ein Fäulnis- / Pestizid-Gestank und der Müll an den Wegrändern wird immer mehr. An der Küstenstrasse, in der Umgebung div. Stränden ist es etwas entspannter. Dennoch, auf dem Camping bei Punta Secca ist es eigentlich nicht zum aushalten, insbesondere da wir hier noch von Fliegen überfallen werden. In der Dämmerung wird es so schlimm, dass wir ins Auto flüchten.
Mit dem neuen Tag wird es auch wieder besser! Bei Ankunft am Schloss Donnafugata sind wir schon wieder unternehmungslustig und nehmen die Besichtigung in Angriff. Im 19. Jh. errichtet vermuten viele es sei der Palast aus dem Roman «die Leoparden» von Guiseppe Tomasi di Lampedusa. Die zugehörende Parkanlage wurde von einer Gräfin im 20. Jh. angelegt. Deren «sauertöpfisches Porträt» ist im Eingangsbereich zur Schau gestellt. Im angenehm schattigen Park steht ein mächtiger «Ficcus Africanus» er ist im Verzeichnis von italienischen Baumraritäten besonders vermerkt, steht da geschrieben. Vittoria umfahren wir westlich und kommen wieder einmal auf die SS115, wie immer fühlen wir uns sehr bedrängt von den LKWs, die nicht 80 sondern mit 100 Sachen unterwegs sind. So weichen wir aus und umfahren die Industriestadt Gela in einer sehr schönen Landschaft. Auf der Karte wird sie «Val di Noto» bezeichnet. Aber Noto ist weit und wir kurven quer zu den Taleinschnitten. Es ist eine schöne Gegend, vielleicht heisst Noto auch einfach schön… Am Lago di Disueri, der jetzt im Juni kaum mehr Wasser hat findet sich kein angenehmer Platz. Da weichen wir aus zum Lago Comunelli, weiter im Westen. In den Hügeln, in einem Waldpark für Natur und Erholung findet sich das gewünschte Plätzli, vorerst… Kaum beim Znacht, man glaubt es nicht, kommen zwei Motocrossfahrer und veranstalten Übungen, in Natur und Erholung… Bald war dieser Spuk vorbei und wir bleiben mit der Flora und Fauna alleine zurück. Pünktlich um 5.45h setzt von neuem ein krasser Verkehr vor unserer «Lodge» ein. Die Arbeiter zum Unterhalt der Natur und Erholung, beginnen ihr Tageswerk mit Laubrechen und Motorsensen. Hmm, wir stehen auf und Frühstücken fein. Dazu können wir den Arbeitsfortschritt bewundern und für uns kommentieren… Beim Wegfahren winken alle freundlich vom gestürzten Baumstamm, mit ihren Frühstücksbroten in den Fingern :-)
Hauptsächlich auf Nebenstrassen fahren wir einen weiten Bogen nach Westen. Entlang von Riesi, Delia, Montedoro nach Aragona. Hier möchten wir die «Vulcanelli di Maccalube» besichtigen. Mit etwas Mühe finden wir den Maccalube Naturpark mit seinen Vulkan Miniaturen und müssen leider feststellen dass gleich drei Organisationen das Betreten des Geländes verbieten. Ein Schafhirte winkte einfach lässig und unbekümmert, soll heissen, da lang und das offensichtliche nicht beachten… Wir stehen unschlüssig in der Landschaft, da taucht im Eilmarsch ein Norditaliener auf und hilft uns bei der Entscheidungsfindung. Vor einer Missachtung rät er dringend ab, droht uns doch die Carabinieri eine Unmenge von Strafen an… Der Wandersmann hat es eilig und verabschiedet sich mit Augenzwinkern, so in etwa mit «gell die sind schon komisch da im Süden» Er kommt rüber wie ein Bayer in Friesland. Am meisten sind wir von einem Gedenkstein über die Strasse beeindruckt, ein junger Papa ist mit seinen zwei Kindern ums Leben gekommen. Im Schlamm der «Vulcanelli» oder beim Motocross, ist auch nicht ganz klar. Der im Vulkanschlamm verlorene Schuh des Autors unseres Sizilienführers gibt den Ausschlag, wir verzichten auf eine verbotene Besichtigung… Am Abend stehen wir am windigen Meer und geniessen die Aussicht auf den weissen Kalkfelsen «Scala die Turchi»
Bei der Anfahrt ins «Valle del Templi» können wir nicht widerstehen, die Altstadt von Agrigento zu besuchen. Eigentlich wollten wir nur etwas aus der Höhe ein Foto der Tempel-Landschaft schiessen, aber die Auffahrt war so einfach, da waren wir schon oben beim Dom. Diese Normannen Kirche beeindruckte, auch wegen der kräftigen liturgischen Musik. Als die Synode der etwa 100 versammelten Priester begann, ziehen wir uns diskret zurück.
Wir beschliessen, zuerst den Platz für die nächsten zwei Nächte auf dem Camping «Valle del Templi» an zu fahren. Die Schnellstrasse aus der Neustadt war gesperrt. Wie es scheint wurden am Viadukt Baumängel festgestellt die ein befahren nicht mehr zulassen (eine Fahrspur gesperrt, haben wir oft erlebt). Zumindest ist die Umfahrung gut ausgeschildert und wir finden den Platz. Nach der grössten Hitze hohlen wir uns Hinweise und Busticket an der Rezeption. Der Bus sollte uns vor den Eingang des Archäologie Parks bringen. Aber der Fahrer rauscht mit Bravur an der Haltestelle vorbei! Auf unseren Protest, ein Schwall unverständliches sizilianisch. An der nächsten Stelle aussteigen und wieder einmal ein Fussmarsch entlang der Strasse unter brennender Sonne. Beim Eingang stellt sich dann noch heraus, dass die Tickets für einen Besuch nur im 2km entfernten Ost- Eingang erhältlich sind…! Natürlich können wir nicht ohne Billett dorthin laufen. Zugang verwehrt…!! Der Wirt der Gaststätte erbarmte sich und erklärte uns auf Englisch, das Prozedere für eine Besichtigung. Endlich, Danke! Wir beschliessen am nächsten Morgen früh eine Tour zu versuchen und erledigen alles für eine zeitige Abfahrt mit unserem Fahrzeug, von ÖV haben wir genug… Es war sehr beeindruckend, die Tempel von «Akras» zu besichtigen. 580 v.Ch. gegründet von Kolonisten aus Kreta, erreichte schon ca. 480 v.Ch. unter Theron den Zenit. 200'000 Menschen sollen hier gelebt haben. Berühmter Sohn der Stadt, Empedokeles schreibt über seine Mitbürger: Sie essen, als ob sie morgen sterben müssen, sie bauen, als ob sie ewig leben sollten. Die Karthager beendeten 406 v.Ch. das Treiben und als die Römer kommen bringen sie auch einen neuen Namen mit, Agrigentum. Die Vandalen um 500 liessen nicht viel über und in den kommenden Jahrhunderten döste das Städtchen als «Girgenti» vor sich hin. Erst in der Neuzeit gab es einen bescheidenen Aufschwung, ab 1927 unter dem Namen Agrigento.
Auf der SS189 wenden wir uns in das Landesinnere. Eine schönes Landschaftsbild breitet sich vor uns aus mit Bergen bis 1578 MüM (Mt. Cammarata) Es ist beeindruckend, Felder mit Getreide, Oliven und Mandel Haine. Die Ortschaften sind weit auseinander und gleichen sich. Sie stehen auf Bergrücken, mit engen Gassen und einem Castello oder Kirche an höchster Stelle. Kaum ein durchkommen mit grösseren Fahrzeugen, also müssen wir immer aufpassen, dass wir die Durchgangstrasse erwischen... In Lercara Frida wenden wir uns auf der SS188 nach Westen. Die Karte zeigt uns einen Weg auf den Mt. Rose bei Palazzo Adriano. Es wird nichts mit dem Übernachten in luftiger Höhe, bei einem Käserei Hof, mit Ziegen und Schafen müssen wir auf halber Strecke umkehren. Bei dem extrem typischen und schönen Landstädtchen Giuliana, geht es auf Feldwegen hinauf zum Mt. Adranone. Bei uns Kühe und Ziegen mit Treicheln, unter uns Sambuca di Sicilia und Lago Arancio, um uns Wunderbare Bergwelt der Monti Sicani und hinter uns, die antike Siedlung aus der Punischen Periode. Hier auf dem Parkplatz finden wir einen tollen Übernachtungsplatz. Beim Morgenspaziergang stellen wir überrascht fest, dass die Stätte zur Besichtigung geöffnet ist. So nützen wir die Gelegenheit die weitläufige Anlage anzuschauen, gratis mit deutscher Dokumentation… Hinunter fahren wir in Richtung Sambuca di Sicilia, wesentlich einfacher als die Anfahrt.
Über Contessa Entellina, auf Nebenstrassen, erreichen wir Corleone. Der graue unscheinbare Ort erreichte Berühmtheit wegen den ausufernden Machenschaften der Mafia, angeblich alles Geschichte…! Jedenfalls sind Bemühungen sichtbar um den Tourismus auch auf andere Pfade als Mord und Totschlag zu lenken. Bemerkenswert ist die Felsenformation mitten im Städtchen. Wieder auf Nebensträssli geht es zum «Fiume Bellice Destro» nahe Roccamena. Durch das sanfte Val Bellice mit den vielen Trauben, fahren wir über Partana nach Montevago zur Therme «Acqua Pia». Da können wir zwei Tage im schön warmen Wasser der Erholung frönen.
Danach wieder über Partana in die «Monti di Gibellina». Im Januar 1968 erschüttert ein gewaltiges Erdbeben die Region und zerstörte ganze Ortschaften. Der Bürgermeister von Gibellina (nicht Pepone aber auch Kommunist) machte mit Hilfe von Künstlern und Medien der Regierung mächtig Dampf. Das Städtli wurde 12 Kilometer vom alten, ganz neu errichtet. Die Künstler haben sich mit div. Kunstwerken verewigt. Insbesondere der «Stella» von Pietro Consagra. Das Mahnmal «Creto» von Alberto Burri ist bedrückend, wurde doch das zerstörte Städtli mit Beton eingefasst... In Salemi wählte man einen anderen Weg, Grundstücke wurden Symbolisch verkauft, mit der Auflage in zwei Jahren mit der Renovation abgeschlossen zu haben. Giuseppe Garibaldi rief hier am 18. Mai 1870 seinen Machtanspruch aus. Danach wurde das Städtli für kurze Zeit zur Hauptstadt von Italien erklärt.
Nach einer luftigen Übernachtung über dem Ort Calatafimi, hinterlassen insbesondere das Theater und der Tempel von Segesta einen grossen Eindruck. Das Geheimnisvolle Volk der Elymer soll diese Stätten errichtet haben. Als sicher gilt der starke Einfluss der Griechen im nahen Selinut. Die Geschichte ist sehr verwirrend, als gesichert gilt die endgültige Zerstörung durch die Vandalen. Wir sind beeindruckt, aber auch der Altertümer etwas müde und wenden uns der Westküste der Insel zu…