2019

Mongolei - 4. Teil

von
veröffentlicht am

01.06.2019 – 12.06.2919

Bei unserer Fahrt nach Süden in den Gobi Altaj, jetzt auf der A 1103, müssen wir noch oft an die tapferen Radfahrer denken. Wenn eine Piste mit A… bezeichnet ist, setzt man nach unseren Massstäben eine gewisse Qualität voraus. Nun, je näher an der Aimaggrenze, desto miserabler ist diese Verbindung zwischen den beiden Hauptorten. Es ist wenig Verkehr, was nicht wundert, aber einige LKW und der tägliche Bus trotzen den Missständen. Das Bergland weicht in weit geschwungene flache Hügel. Den Wüstenflecken Taishir am Fluss Zavkhan schon im Blick, erwische ich mit dem rechten Vorderrad einen sehr scharfen Stein. Nicht aufpassen auf der Piste wird sogleich Gnadenlos bestraft. Mittels Pneureparaturset können wir nach der Zwangspause die Fahrt fortsetzen, aber wir halten jetzt gemeinsam nach «Schlitzern» Ausschau...

Nach einer erholsamen Nacht auf einen Hügelzug, bekommen wir kurz vor Altai Stadt eine Belohnung für unser Fahren über Stock und Stein! Zufällig treffen wir auf das Zielgelände für dass, nennen wir es mal, «sonntägliches Pferderennen». V-Förmig ist der Zieleinlauf mit weissen Holzpfählen über ca. 400 Meter Länge markiert. Die «offene Seite» ist ca. 600 Meter. Am Ende des Flaschenhalses markiert ein Pfahl mit roter Fahne das Ziel, wo ein Schiedsgericht den Sieger empfängt. Inzwischen ist auch ein Polizeiaufgebot (ca. 20 Mann) eingetroffen und hat entlang der Absperrung Stellung bezogen. Gibt es da eventuell Differenzen beim Zieleinlauf… Eine Ansammlung von Anhängern, besorgte Eltern der Jockeys, Pferdebetreuer, Bewunderer, Ramschhändler und für die Verpflegung besorgte harren hier aus, um die Ankunft der Rennpferde zu erleben. Theres kann sich beim Kameramann des örtlichen TV- Senders erkundigen. Er denkt, so gegen 11.00h soll der Sieger einlaufen…

Ich werde von neu eingetroffenen Nachbarn mit englischen Brocken und Handzeichen mit etwas Hintergrund Infos versorgt. Diese Pferderennen gehen in der Regel min. 15km, max. 20km über die Steppe. Gestartet wird in einer Reihe und dann muss die Laufleistung richtig dosiert eingesetzt werden. Trainer oder die Besitzer fahren seitlich versetzt mit ihren Geländewagen mit, voll drauf. Böse Zungen behaupten «Sieger ist immer Toyota». Die besten Rennpferdchen gehören Business Männern aus der Stadt. Wenige der örtlichen Züchter können da mithalten. Auch für die Jockey-Buben gibt es so etwas wie einen Markt, zumindest soll es für die gut platzierten stattliche Prämien geben. Die sehr schönen und eleganten Pferdchen kommen, wenn sie gut rennen, in Herden für weitere Zuchterfolge. Schlussendlich, nach Ruhm und Ehre, landen auch sie in einem Kochtopf. Alterspensionen für Pferde sind hier bei Nomaden und Hirten unbekannt und das Leben ist zu hart für solche Ideen…

Urplötzlich herrscht grosse Aufregung. Die Jahrmarktstimmung ist verflogen und alle drängen zum Zieleinlauf. Tatsächlich, im Osten ist eine grosse Staubwolke auszumachen, die sich mit hoher Geschwindigkeit nähert. Zuerst sehen wir nur drei mehr oder weniger eingestäubte Geländewagen die wirklich voll über Stock und Stein jagen. Dann tauchen die ersten drei Pferde auf, die Jockeys halten sich mühsam im Sattel, aber mit ihrer letzten Energie schwingen sie eine Gerte abwechselnd auf die Flanken der Pferde. Der Sieger hat einen Vorsprung von 25m. Die beiden nächsten liefern sich einen dramatischen Zieleinlauf! Zweimal fällt der letztendlich 2. in den letzten 300m eine Kopflänge zurück, aber schweissüberströmt schafft er es, seine Position zu halten. Es kommen immer mehr Pferde in den Zieleinlauf, einige trabend, andere noch verbissen in einen Kampf um eine bessere Position. Die Jockey Buben und die Rennpferdchen zittern vor Erschöpfung. Eigentlich sind sie alle Sieger, die ein so hartes Rennen überstanden haben. Nach einer Erholungsphase wird der Sieger ausgerufen. Dies Pferd wird mit einem goldenen Band über den Ohren noch etwas herumgeführt.

Später am Nachmittag versorgen wir uns in der Stadt und machen noch einen Bummel auf dem «Schwarzmarkt» und suchen nach einer Gelegenheit den beschädigten Pneu zu flicken. Wir finden aber nichts passendes. Theres hat den ganzen Tag Kontakt mit Magrit und Be, wir wollen uns heute oder morgen treffen. So suchen wir ausserhalb ein Plätzchen zum Übernachten und geben die Koordinaten an sie durch. Wir sind dann doch erstaunt, dass sie noch am selben Abend angebraust kommen! Beim Willkommenstrunk kommen wir überein, zusammen den «Mongol Els» Dünen einen Besuch abzustatten. Das Sanddünengebiet ist das grösste in der Mongolei. Es erstreckt sich über 300km vom Dorgon Salzsee nach Südosten bis vor Jargalan. Zentral liegt der Mongol Els National Park, der im Süden vom Salzsee Sabgijn Dalai Nuur begrenzt wird. Der in seiner Ausdehnung stark schwankt, je nach der Niederschlagsmenge in seinem Einzugsgebiet. Also ein spannender Trip…

Am anderen Morgen fahren wir zurück nach Taishir. Die gute Piste und eine eingebildete Streckenkenntnis verleitet mich zu einer schnellen Fahrweise. Tatsächlich, mit 70 km/h wird es erstaunlich ruhig und wir «fliegen» über die Löcher und Steine. Dem Pneu mit dem Flick jedoch sagt dass gar nicht zu, mit einem vernehmlichen «Pflopp» verweigert er weitere Mitarbeit! Dummheit muss leiden! Reservepneu und Rad abbauen, Radwechsel machen und das ganze wieder aufladen. Danke Be für deine Unterstützung. In Taishir muss ich mich durchfragen und finde tatsächlich eine Möglichkeit den mitgeführten Reservepneu aufzuziehen. Nur das Auswuchten ist hier unbekannt, ich bin gespannt auf die Fortsetzung der Pneugeschichte. Theres wird unterdessen von der Frau des Reparateurs in ihr Ger eingeladen. Sie möchte gerne Lederarbeiten, die im Winter gemacht werden, verkaufen. Nun, für Sattelzubehör und Lederpeitschen haben wir kein Bedarf, so bleibt es beim Smalltalk und bestaunen der Gerwohnung.

Endlich können wir durch eine interessante Wüstenlandschaft weiterfahren. Dem Zavkhan Fluss entlang ist es nicht immer möglich, oft müssen wir in die Ausläufer des Khasagt Khairkhan Geb. ausweichen. Das führt zu spannenden Fahrten im Bett von trockenen Wasserläufen oder auf- und abstiegen beim umfahren von Hügelzügen. Etwas über dem Fluss finden wir ein Plätzchen mit Aussicht. Gerade als wir uns für die Nacht positionieren wollen, kommen zwei Geländewagen aufgebraust und machen zwischen uns Pause. Es ist eine Gruppe Chinesen die mit mongolischen Offiziellen die touristischen Möglichkeiten entlang des Mongol Els prüfen sollen. Es sträuben uns die Nackenhaare, dass würde ja so etwas wie Disneyland für die tolle Gegend bedeuten… Den eines ist bald klar, dass wir so zum Plausch durch die Landschaft fahren liegt ausserhalb des chinesischen Verständnisses. Dafür ist eine der Mongolinnen verständnisvoller, mit breitem amerikanisch verspricht sie in 10km am Fluss tolle Plätze. Also packen wir diese noch an und hoffen auf einen entsprechenden Platz. Es hat sich gelohnt…

Wir kommen der Dünenlandschaft immer näher, entsprechend häufen sich die Sandpassagen. Das fordert Giovanni zu Höchstleistungen. Das einsinken im Sand bedeutet ein hoher Widerstand, entsprechend Motorleistung bis an die Grenze des möglichen. Immer wenn ich denke den Luftdruck der Reifen abzusenken um besser diese Passagen zu meistern, geht es wieder Bergauf durch scharfe Steine. Einen Pneuschlitzer will ich aber unbedingt vermeiden, also wird der Motor weiter gequält. In einem dieser Hügelzügen findet Be einen schönen Platz mit Sicht auf den Salzsee Sabgiyn Dalay Nuur. Wiederum haben wir uns eingerichtet und möchten zum ersten mal auf der Reise draussen Abendessen. Da bekommen wir Besuch. Ein Hirte mit Töchterchen auf seinem chinesischen Töffli findet diese Ausländer einfach zu komisch. Er begutachtet unser Tun von allen Seiten. Glücklich trinkt er ein Feierabendbier mit uns und das Töchterchen lutscht an einem Energieriegel. Schon ist der andere Nachbar mit zwei Pferden da. Er denkt wir möchten auf einem oder beiden einen kleinen Ritt unternehmen… wenn ich mir das nur Vorstelle bekomme ich einen Lachkrampf! Erst noch ohne Sattel…

Nun, das wurde nichts mit draussen essen. Eine Party für die Völkerverständigung wollten wir auch nicht schmeissen. Erst als wir Ausländer uns in die Fahrzeuge zurückzogen, gaben die Hirten auf und gingen heim in ihr Ger. Wo sie dieses versteckt hielten konnten wir nicht herausfinden.
Die Mongol Els Dünen breiteten sich vor uns aus, ein sehr eindrückliches Erlebnis. Sie trennten uns vom Fluss und es gab keine andere Möglichkeit als den Dünen entlang nach Nordwesten zu fahren. Immer schön am Rande, denn das ganze Gebiet bildet den Mongol Els National Park. Es gäbe Möglichkeiten den Park (Sanddünengebiet) mit Führer zu besuchen. Entsprechend früh müsste dies im Hauptort beantragt werden, also nichts für uns kurz entschlossenen. Wie eine Fata Morgana taucht er vor uns auf, der «Dorgon Nuur». Der Salzsee ist im Norden mit dem Süsswassersee Khar Nuur verbunden. Hier am Dorgon Nuur kommt das Dünengebiet bis an das versalzene Wasser. Kurz vor erreichen der Szenerie sind wir beinahe in den Bodenlosen Kieselgrund am Seeufer eingesunken. Be konnte sein 9 Tonnen Gefährt mit der letzten Motorreserve auf festen Grund retten. Da gelang uns endlich ein Abendbrot draussen in schöner Abendstimmung einzunehmen. Sogar die Mücken bemerkten unser Glück und liessen uns gewähren.

Streng nach Westen, über den kleinen Ort Tahilt, wollen wir zu der Südroute A0304 kommen. Es ist ein würdiger Abschluss für die schöne Mongol Els Tour! Es gilt ein riesiges Weidegebiet mit einem kontinuierlichen Gefälle zu der Seenlandschaft zu durchqueren. Die grösste Schwierigkeit ist eine vernünftige Strecke zwischen den Fotostopps zurückzulegen. Malerische Ger, Schafherden, Kamele, Rinder- und immer wieder Pferdeherden. Die Mongolei wie man es sich vorstellt. Immer haben wir den Taleinschnitt zwischen den Schneebedeckten Bergen Yargatin Ekb und Bumbat Khairkhan vor uns im Blick. Überraschend sind wir auf der Passhöhe und sehen staunend in die Ferne. Eine Reihe weiterer Berge zwischen 3400 und 4300 MüM über dem Wüstental das sich vor uns ausbreitet. Entlang der Grenze zum Nationalpark Har Us Nuur kommen wir in tiefere und entsprechend warme Zonen. Nach der Fahrt quer durch das Wüstental stehen wir staunend vor einer neuen geteerten Strasse, endlich in A-Qualität. Nur keine Hast, zuerst wird der Reifendruck angepasst und erst dann folgt das Vergnügen! In einer Flusssenke bei Mankhan machen wir unser letztes gemeinsames Camp (denken wir). Danke Be und Magriet, es war ein schönes Erlebnis zusammen am Mongol Els.

Wir geniessen die neue Asphaltstrasse und gondeln gemütlich nach Khovd. Wieder ein Aimag Hauptort. Aus der Höhe des letzten Passes stellt sie sich recht gut dar mit den farbigen Dächern und vereinzelten mehrstöckigen Bauten. Wir versorgen uns so gut es geht. Leider ist Obst und Gemüse nicht vorrätig. Da heute unser 44 Hochzeitstag ist, beschliessen wir ein kleines Festmal zu uns zu nehmen. In einem schönen Restaurant bestellen wir Pizza. Es würde aber eine halbe Stunde dauern berichtet die nette Bedienung. Es dauerte 1.5h... Der Trost, es war ausgezeichnet und die Resten ergaben noch einmal zwei Mahlzeiten. Der Tag war endgültig super als wir bei der Wegfahrt noch das Wasserhaus entdeckten. So konnten wir mit genügend Wasser die Weiterfahrt antreten. Die Passstrecken zwischen Khashaat und Buraatyn Pass sind noch im Bau. Das heisst: wieder Staubwolken und löchrige Pisten neben der zukünftigen Trasse. In so einer Staubwolke taucht plötzlich die bekannten Konturen des NL MB Trucks vor uns auf. So kommt es, wenn wir mal Pizza essen… Zusammen mit Magrit und Be Übernachten wir auf dem windigen Buraatyn Pass.

Tolbo Nuur heisst die nächste Station. Der eindrücklich schöne See liegt auf ca. 2000 MüM, eingerahmt von steinigen Bergen. Es sind die unterschiedlichsten Farben, die von den Felsen zum Betrachter dringen und ihn staunen lassen. Es gibt einen Touristen Hot-Spot den wir nach Möglichkeit meiden wollen. Haben doch schon die ersten Plastikrutschen an der Stelle das Seeufer erreicht... Aber es wird schwierig, jedes Plätzchen dass wir ansteuern ist Mücken verseucht. So 400 Meter vor dem Ufer vereinzelte, beim Ufer jedoch wird es schwarz vor der Scheibe, also Rückzug!
Beim letzten Versuch kommen wir an einem Friedhof vorbei. Verstorbene wurden mit Steinen bedeckt oder gar eingemauert, nicht alle haben Namensschilder oder Datumsangaben. Wo es ersichtlich wurde, kommt die Schlussfolgerung, es wurde früh gestorben in diesen Landen. Die meisten deutlich vor 60. Unterhalb dieser Grabstätte fanden wir ein Plätzchen, jedoch nicht am See. Zusammen mit einem dutzend Pferden, Adler und Singvögel verbrachten wir einen schönen Tag. Zumindest nach dem entstauben, abschmieren und Auspuff neu hochhängen am Auto war es erholsam.

Ölgii ist wieder ein Hauptort und der wichtigste im Westen der Mongolei dazu. Die meisten Autotouristen kommen hier auf der Westseite in das Land. Entsprechend gibt es eine Infrastruktur. Wir nutzen diese um wieder einmal eine heisse Wäsche zu machen. An Kleidern und an unserem Körper… Es gab Gemüse, Salat und sogar Bananen. Leider auch schlechte Nachrichten für den Besuch des Altai Tavan Range National Parks. Viel Wasser in den Flüssen erschweren das durchfahren und kein Besuch ohne Führer… Wir verlieren die Lust auf weitere unbestimmte Pisten. Als ich noch feststelle, dass eine Freilaufnabe vorne beschädigt ist, richtet sich mein Interesse mehr auf diese Reparatur. Drei Schubnocken sind abgebrochen!? Ich messe die Teile aus und im Camp wird ein «Schmied» mit der Konstruktion von neuen beauftragt. Er liefert in kurzer Zeit, aber mit grossen Mess-Toleranzen. Jedes Teil muss ich mit der Feile nacharbeiten, wenn das nur gut geht…

Nochmals den Supermarkt nach leckeren Sachen durchforsten. Z.B. Dalmayer Kaffe, und die Turik werden weniger. Angeblich sollen diese an der Grenze nicht zurück getauscht werden. Bei der Ausfahrt zur Grenze von Russland werden wir so richtig eingestäubt. Ich denke bis ins Hirn! Wir Landen mitten in der Peking-Paris Challenge. Dieses ist die 7. Auflage seit der Originalfahrt von 1907. Es dürfen nur Fahrzeuge teilnehmen die 40 Jahre oder älter sind und deren Mannschaft genügend Geldmittel zur Verfügung hat… Wen wundert es, dass die Schweizer Teams vornehmlich aus NW oder Zug kommen... Den ältesten, den wir antreffen, ist ein amerikanischer Dampfwagen von 1909. Wenn er denn läuft, ist er schneller als unser Giovanni. Er läuft aber mit Unterbrüchen und seine Begleitmannschaft hat alle Hände voll zu tun. Diese New Yorker nehmen es aber sehr gelassen... Eine der ältesten Teilnehmer ist vermutlich eine Lady aus Neuseeland. Sie entstieg ihrem Wohlsley sichtlich angeschlagen. Es gab Buckel Volvo, Mercedes, Peugeot, VW Käfer, Porsche, RR, MG, Bentley und eben den Withe Dampfwagen zu sehen. Teilweise stark beschädigt, so dass die Weiterreise zur russischen Grenze auf einem LKW erfolgen musste.

Wie wir an diesem Abend zur Grenze kommen, verstopften die Rallye Teilnehmer die Abfertigung für Stunden. Wir schlagen uns in die nahen Berge und denken Morgen ist auch noch ein Tag. So stehen wir und zwei tschechische Motorradfahrer um 8.00 h vor dem Grenzzaun und wundern uns eine Stunde lang, dass nichts geschieht. Eine Gestalt nähert sich und informiert uns, keine Grenzabfertigung, erst Morgen früh. Die russische Föderation hat wegen dem Nationalfeiertag die Grenze geschlossen. Unsere Reise bietet immer wieder Überraschungen und bleibt spannend...

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