2019

Tadschikistan - 1. Teil

von
veröffentlicht am

20.08.2019 - 31.08.2019

In Osh beginnt der legendäre «Pamir Highway», ein Teilstück der ehemaligen M41 aus Sowjetunion Zeiten. Nachdem wir unsere Besorgungen mehr oder weniger erledigt haben, wenden wir uns auf dieser Strasse nach Süden. Im Wissen, dass uns sehr hohe Pässe und Hochebenen erwarten, gehen wir die Sache gemütlich an. Zum angewöhnen verbrachten wir die letzte Nacht in Osh ausserhalb, am Papanstausee auf 2300m ü.M. Wieder auf dem «Highway» legten wir die Mittagspause auf den Chyrchykpass, 2408m. Im Anschluss eine Übernachtung vor dem Taldykpass auf 2750m. So angepasst konnten wir den Pass (3615m) gut ertragen und Giovanni schaffte es mit Bravour die «Alai Ranges» zu Überqueren. In Sary-Tasch wenden wir uns nach Westen in das sagenhaft schöne «Alai Valley». Leider war es sehr bedeckt, dennoch konnten wir im Norden eine Bergkette von 5000er, vereinzelt bezuckert mit Schnee, gut ausmachen. Die südlichen 7000er Gipfel, versteckten sich aber unnötigerweise oft in den Wolken. Mit Bangen und Hoffen auf bessere Sichtverhältnisse, biegen wir in Kaschka-Suu ab, auf die Piste zum «Pik Lenin» Basiscamp. Dieser, bei den Alpinisten aus aller Welt sehr beliebte Berg, ist mit 7143m ü. M. der höchste von Kirgistan. Da sehr trockene Verhältnisse herrschten kamen wir gut voran, immer weiter in die Bergwelt. Nach ein paar dürftigen Aufnahmen, blieb noch das Hoffen auf besseres «Büchsenlicht» am nächsten Morgen. Etwas abseits der Piste, auf einer Bergweide der Nomaden legten wir uns aufs Ohr. Welche Überraschung als wir aus den Federn krochen! Schnee rund um uns! Die Berge eingeschneit, die Bergweiden und das Auto. Das «Büchsenlicht» war jetzt auch Prima!

Mit bester Laune ging es zurück zum «Pamir Highway». Wieder in Sary-Tasch versuchen wir das letzte Kirgisengeld zu tauschen. Dazu beanspruchten wir ein Restaurant, Deutsche Touristen und die Tankstelle. Es blieb immer noch ein Rest vor… Auf 3300m, vor der Grenzabfertigung, schlafen wir etwas länger als geplant, lassen es aber dennoch ruhig angehen. Die Abfertigung durch die Kirgisen erfolgt zügig ein gutes Stück unterhalb des Kyzyl-Art Passes. Einsam kämpft man sich den «Highway» hoch auf die Passhöhe, die wir arg schnaufend bei 4336m ü.M. queren. Das erreichte Ziel, die Bergwelt, es ist Überwältigend! Rund 200 Höhenmeter tiefer nehmen uns die Jungs der Tadschikistan Grenztruppe in Empfang, sehr gemütlich...

Nochmals einen Pass queren und bald kommt der Karakulsee in Sicht. Richtig «uf dr Schnurre» gibt es am Ufer Feierabend. Es wird recht Kühl in dieser Nacht, aber die Heizung läuft durch bis am Morgen, dass fanden wir doch «echt gut». Das Dorf Karakul ist recht öde und lebt ausschliesslich von Touristen und der kleinen Kaserne. Schon kurz nach der Grenze war er da, einmal sehr nahe und dann kaum mehr zu erkennen, der Grenzzaun zu China. Ein Relikt aus einer anderen Zeit, gut verankert, alle 5m ein Pfosten die 8 Reihen Stacheldraht tragen…

Heute erreichen wir erneut einen Höhepunkt unserer Reise! Auf dem Weg nach Murgab müssen wir den 4655m hohen Akbaytal Pass Überqueren. Diese Höhe hat uns im Vorfeld beschäftigt und die Erleichterung war gross, dass alles so gut ging! In den letzten Tagen sind uns unzählige Fahrradfahrer begegnet. An dieser Stelle möchten wir diesen mutigen Sportlern ein besonderes Kränzlein winden! Es wird ein an Begegnungen reicher Tag. Eine junge Zürcherin allein mit dem Velo von Dushanbe über den Wakham-Korridor nach Osh. Eine super Leistung, mental und physisch! Wir sind noch am quatschen, hält ein Fernreise LKW neben uns. Tom und Conny Begrüssen uns. Mit Staunen stellen wir fest, dass wir gemeinsame Freunde im Toggenburg haben… Eine Reisegruppe aus Frankreich findet es nicht so lustig, dass wir da auf der Strasse Erfahrungen austauschen. Na ja, noch in den Ferien gestresst, sehr unfranzösisch! Die nächste Stunde keine weitere Menschenseele weit und breit. Bis im Dunst der Wüste eine weitere Gruppe am Strassenrand steht. Zwei Velofahrer, die einem Motorradfahrer mit Reparaturvorschlägen beistehen. Hier, kurz vor Murgab, verweigert das Motorrad seinen Dienst und Tom (wieder ein Tom) hat keinen Saft im Compi um den Fehler zu finden. Die Radler übergeben uns und wir liefern vorerst einmal Strom. Der Compi weiss dann doch keinen Rat, aber schlussendlich findet sich der Fehler: Der Benzinfilter ist voll mit Schlamm und Wasser, eine schlechte Kombination. Vorbeugend laden wir sein Gepäck ein und Tom tuckert vor uns weg nach Murgab, wo er sein Motorrad wieder in Schuss bringen kann.

Wir Beugen auch vor und füllen hier nochmals die Dieseltanks an einer nostalgischen Tankstelle aus der 10 Liter Kanne. Versorgung ist hier auf dem «Dach der Welt» in Murgab möglich. Wer möchte und alle Erlaubnispapiere dabei hat, kann von hier nach China Reisen. Vorerst kommen aber hauptsächlich Plastikschüsseln und anderer Ramsch von dort ins Land. Es ist staubig, windig und unangenehm im Ort, so suchen wir unser Plätzchen wieder einmal ausserhalb an einer Flussaue. Beim z`Nacht stehen plötzlich zwei, recht schöne Hunde mit grossen Augen vor uns. Wir haben noch altes Brot und das wird mit Begeisterung aufgefressen. So kommen wir zu zwei Wächtern für diese Nacht, oder sind wir ihre Beute? Auf dem «Highway»sind wir mehr oder weniger auf 4000m ü.M. unterwegs. Nach Alichur biegen wir rechts ab auf eine Piste, um zum Yashilkul See zu kommen. Der liegt im Zorkul N. R. nahe dem Dorf Bulunkul. Dieses Dorf hält den Kälterekord einer ganzjährig bewohnten Siedlung im Pamir. In den 1980er, als Messungen noch zuverlässig funktionierten, wurden – 63°C gemessen (natürlich im Winter!). Am Yashilkul See findet sich wieder ein malerisches Plätzchen für uns, blauer See und die wüstenhaften Berge in der Runde, sehr schön.

Wieder am «Pamir Highway» fahren wir etwas zurück und biegen auf die «Strasse» zum Khargush Pass ein. Über diesen Pass erreichen wir den «Wakham Korridor» Der ist von den Playern am «Great Game» als entmilitarisierte Zone geschaffen worden und wird bis heute von Afghanistan Verwaltet und beansprucht. Unsere «Strasse» führt uns immer nördlich des Pamir Flusses, stets abwärts, Richtung Langar. Die Berge um uns haben kaum Vegetation, dennoch wird Weidewirtschaft betrieben. Es stäubt gewaltig, wenn sich eine Herde in den Hängen bewegt. Alles sichtbare Grün wird durch Bewässerung geschaffen! Wie bei uns im Wallis, wird das Wasser hoch in den Bergen gefasst und mit «Suonen» auf die vereinzelten Höfe geleitet. Das ermöglicht es einer Familie das knappe Überleben. Wie geht es mit deren vielen Kinder weiter?!... Für uns ist es sehr knapp zum Übernachten. In den steilen Hängen ist kaum ein freier Platz. Bei einer Baustelle ist es uns dann möglich, 10m neben dem Weg die Nacht zu verbringen. Motorfahrzeuge kommen nach dem Eindunkeln keine mehr, aber um 4.00h in der Früh die ersten Hirten mit Tieren. Im Morgenlicht können wir die vereisten 7000er auf der afghanischen Seite zwischen den Wolken erkennen. Kaum Vorstellbar, hinter den eisigen Gipfeln beginnt Pakistan...

Der Pamir Fluss hatt vor Langar eine tiefe Schlucht ausgespühlt. Spektakulär auf einer Felsnase ist das Ratm Fort auszumachen. Weiter unten, bei Zong, sieht man deutlich wie sich die Flüsse Pamir und Wakham vereinigen. Sie bilden nun den Panj, der weiterhin wild zu Tal fliesst. Die Aussicht beim Yamchun Fort, hoch über dem Fluss, ist beeindruckend. Es wird auch «Schloss der Feueranbeter» genannt. Auf der Wiese einer Familie können wir gegen einen Obulus an aussichtsreichster Lage Campieren. Die netten Leute schauen sich mit Begeisterung den Reiseführer an. Verwundert erkennen sie ihren Verwandten, der nette Herr, der den Besuchern im Museum von Yang das Leben in einem Pamirhaus näher bringt und das Observatorium in der Felswand erklärt. Es zeigt zuverlässig die Tag und Nachtgleiche im Frühjahr und Herbst. Diese Zeitpunkte werden sehr ernst genommen und spielen eine wichtige Rolle im Leben der Pamiri. Immer wieder, die eindrücklichen Berge beiderseits des Flusses lassen einem staunen. Bei Ishkashim biegt der Panj stark nach Norden und der Wakham Korridor ist zu Ende. Die Präsens der tadschikischen Armee nimmt zu und immer wieder treffen wir auf Grenzpatrouillen. Es kommt mir komödienhaft vor, die sind unterwegs ohne Funk und zum Teil haben sie nicht einmal ein Magazin in der Flinte. Ich glaube kaum, dass die Nachbarn sehr beeindruckt sind. Die im übrigen ebenfalls sehr hart Arbeiten müssen um ihre Ernte einzubringen!

Im afghanischen Badakhshan und hier in Badakhshon und ihre Brüder und Schwestern im Grenzgebiet zu China und Pakistan sind sehr eng Verwandt. Sie haben ihre Wurzeln in Persien und die Lehre des Zoroastrismus (Feueranbeter) hat noch immer grossen Einfluss auf das tägliche Leben. Heute ist ihnen der Islam auferlegt, dazwischen gab es die buddhistischen und kommunistischen Epochen. Aber die alten Götter haben weiterhin in fast jedem Dorf eine Ehrenstätte. In den heissen Mineralquellen von Garam Chasma können wir unsere durchgeschüttelten Glieder entspannen und neu auf die Reihe bringen. Wie hier üblich, Männlein und Weiblein streng getrennt! So erreichen wir die Garnisonsstadt Khorog wunderbar locker aber sehr müde. Im Pamir Guesthouse mit seinem wunderschönen Garten entschlummern wir bald. Die sich in meinen Geschmacksnerven festgesetzten «Pommes Frites» gilt es mit einem ausgedehnten Stadtbummel zu verdienen!

Als Touristen bekamen wir an der Grenze 45 Tage Aufenthalt im Land. Der Zoll gewährte für das Auto jedoch nur 14 Tage, dass soll einer mal Verstehen?! Im Guesthouse trafen wir Motorradfahrer Thomas, er konnte die Frist für sein «Moped» ohne Kosten hier in Korog verlängern. Bei der Weiterfahrt versuchten wir dasselbe, wir wurden auf den Zoll in der Hauptstadt verwiesen… Hier in Khorog haben ein Kontingent russische und kasachische Truppen dafür gesorgt, dass die heutige Regierung den 10 Jahre dauernden Bürgerkrieg gewinnen konnte. 2008 sind die Soldaten wieder abgezogen und haben ein bis heute zerrissenes Land zurück gelassen. Die letzten kriegerischen Auseinandersetzungen sind im Garm Tal 2010 Vermeldet worden… Hier im Panj Tal ist es im Moment ruhig. Nur der «Pamir Highway» auf dem wir nordwärts Richtung Kalaikhum fahren, ist in einem total besch… Zustand! O.K., wir sind langsam unterwegs, aber in sieben Stunden gerade mal 100km ist doch hart :-( Bis auf grosse Reisebusse ist uns in etwa alles begegnet was auf einer Strasse unterwegs sein kann. Die LKW-Fahrer haben meine Bewunderung! (Natürlich auch die Velofahrer). Vor erreichen des Vanch Tales, finden wir Dank der «i Overlander App» über der Strasse einen schönen Platz. Gute Sicht auf ein Afghanisches Dorf mit seinen grünen Gärten und steinigen Bergen inklusive! Ein Engländer-Paar mit Velo ist froh, in unserer Nähe das Zelt aufzuschlagen. Genau zur Schlafenszeit findet Therese noch leere Patronenhülsen und was für Kaliber! Diese bescheren uns nicht nur unbeschwerte Träume… Wie es scheint haben wir doch tief geschlafen. Am Morgen steht ein VW Bulli mit DE Nummer bei uns.

Wir schleichen weiter Richtung Kalaikhum, wo wir versuchen etwas Brot und Wasser zu besorgen. Für Brot sind wir leider zu spät dran und bis zum Abend wollen wir auch nicht auf das frisch gebackene warten, obschon… Hier verlässt der «Pamir Highway» den Panj und führt uns wieder durch ein sehr schönes Bergtal hinauf zum Khaburabot Pass. Vor dem steilen Anstieg bleiben wir am Bach zum Übernachten. Leider sind wir in Sichtweite einer Siedlung und werden zum ersten mal massiv gedrängt Schokolade zu verteilen. Die Gruppe Buben wird von einem ca. 10 jährigen Schnuderi auf nigelnagelneum Mountenbike angeführt. Auf unseren Hinweis keine Schokolade zu haben, meint er fordernd, 2 US Dollar ist auch O.K… Am anderen Morgen passieren wir eine Strassensperre der Armee, wo unsere Daten wieder einmal gründlich in eine Klade eingetragen werden. Das dauert schon ein wenig, weil der Kugelschreiber versagt und der Ersatz in der Unterkunft organisiert werden muss. Dem Korporal ist es peinlich und ausbaden muss es der Bote, ein schlaksiger Jüngling. Der «Highway» steigt nun in Serpetinen durch eine spektakuläre Schlucht hinauf zur Passhöhe. Wie wir aus der Schlucht hinauskommen sind die Alpwiesen an der Strasse gespickt mit gefärbten Holzpflöcken. Wir Rätseln bis auf den Pass über den Zweck, Ausmarchung von Grundstücken, neuer Strasse, oder gar Quelleinfassungen?! Auf dem Pass werden wir brutal aufgeklärt. Die «Grundstücke» sind Minenfelder die nun von der lokalen Bevölkerung und mit Hilfe der OSZE auf weitem Feld wieder ausgegraben werden. Es stehen wohl Sanitäter und Rettungswagen bereit, auch Hubschrauber Landeplätze sind vorbereitet. Warum werden diese Minen aber nicht durch die Zentralregierung entfernt? Es waren ja diese Truppen, die vor der Schlacht um den Pass die Minen ausgestreut hat!

Ein paar Kilometer später sind drei «Steinmandli» auf der Strasse und ein beschriftetes Holzstück weist uns auf einen «Karrenweg» nach Dushanbe. Mit grosser Verunsicherung (unsere Karten zeigen nur Höhenkurven an) fahren wir auf diesem talwärts, in ein grosses Dorf. Wir beruhigen uns ein wenig, der Hirtenjunge, ein Traktorfahrer und ein junger Papa mit Nachwuchs nicken alle kräftig und weisen auf unsere Anfrage in die selbe Richtung. Ausgang des Dorfes findet sich dann auch wieder ein eingezeichneter Weg durch eine Schlucht, zurück zum «Highway». Die ausgewaschene Schlucht in der Nagelfluh war sehr speziell. Immer wieder musste man den Kopf einziehen weil zu befürchten war, dass sich ein Stein löst. Der kleine Wasserfall empfanden wir wie eine Belohnung. Die Hügelzüge um uns sind stark Lösshaltig und der gut Schmelzwasser führende Fluss veranstaltet in der Landschaft dass «grosse Fressen». Auch der «Highway» bekommt es zu spüren, oftmals ist der alte UDSSR Asphalt in den Abgründen verschwunden. Wir begreifen es immer noch nicht, dass ein Staat der eine durchgehend gute Strasse übernommen hat diese dermassen vernachlässigen kann, dass sogar die Ziegen auf der Trasse stolpern. Weiter unten treffen wir auf den Vakhsh Fluss. Mit dem passieren der Kontrollstelle ist der «Pamir Higway» heute hier zu Ende. Die ehemalige M41 würde noch weiter bis nach Termiz in Usbekistan führen. Der Vakhsh Fluss treibt es noch toller. Die auf der Karte aufgeführten Seen bei Garm und weiter ostwärts, sind alle mit Geschiebe angefüllt. Schon etwas enttäuschend, wenn man anstelle von blauem Wasser graue Steinmassen zu sehen bekommt. Also links um und wieder zu Tal, heisst es in Garm. Nichts ist mit dem Fluss entlang fahren. Eben wegen der starken Erosion, geht es vor Rogun zwei mal auf fast 1800m Höhe. Bei Rogun wird der Fluss für seine Unbändigkeit mit Hilfe der Weltbank bestraft. Es wird ein gigantischer Schüttdamm gebaut, der den jetzigen Fluss um 300m anheben wird. Die Weltbank ermöglicht die Fertigstellung des grössten Stausees in Zentralasien. Das Vorhaben ist schon einmal wegen Einspruch der Bevölkerung unterbrochen worden. Es müssen bis zu 30'000 Familien umgesiedelt werden (in die Sand oder Steinwüste?).

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