Kasachstan
von Theres & Danielveröffentlicht am27.06.2019 - 11.07.2019
In Barnaul können wir bei MAN den fälligen Motorölwechsel ausführen lassen. Das bringt drei Vorteile: Diese schmutzige Notwendigkeit wird erledigt, die Altölentsorgung ist geregelt und es ist mit dem Markenöl sehr günstig. Kurz bei wird der Giovanni zum zweiten mal auf der Reise kräftig eingeseift und sauber gespritzt, er glänzte wieder wie neu. Inzwischen hatten wir Kontakt mit unseren Bekannten Brigitte und Daniel aus Köniz, und Barbara aus Rüegisberg. Wir machen an einem modernen Truckstopp ausserhalb der Stadt einen Treffpunkt aus. Die Freude beim Wiedersehen war gross. Die Reiseerlebnisse beiderseits und das Austauschen von Erfahrungen, sowie etwas klönen über zu Hause dauerte an diesem schönen Abend recht lange. Von den Passanten werden wir Interessiert gemustert, sie werden nicht alle Tage ein Zusammensitzen von Ausländern an Campingtischen vor einem Motel zu bestaunen haben. Leider führten die Reiseruten gegeneinander, wir von und sie nach der Mongolei. Ein zusammen Weiterreisen ist somit nicht eine mögliche Option. So nehmen wir am anderen Morgen Abschied und gehen die eigenen Wege.
Inzwischen haben uns einige Reisende von den schlechten Strassenverhältnissen zwischen Öskemen und Almaty berichtet. Der Vorschlag von Daniel, über Pavlodar und Astana zu fahren, können wir nach den farbigen Schilderungen durch Brigitte nicht mehr widerstehen. Es ist eine völlig andere Route als geplant, aber was soll es bedeuten. Auf der russischen Seite bedeutete es noch eine ganze Anzahl von Pistenkilometer. Diese war aber grösstenteils frisch geschoben (mit einem Gradall geplättet), so konnte recht zügig gefahren werden. In Kulunda staunten wir nicht schlecht, hier treffen 4 Eisenbahn Linien genau rechtwinkelig aufeinander. Es gibt nach Kasachstan einen regen Bahnverkehr mit verschiedenen Schuttgütern aus den Minen. Nach der Grenze geht es weiter auf einer eben fertig gebauten Strasse. Was für ein Gefühl wenn es nicht mehr klappert und rattert…
Die Landschaft präsentiert sich Topfeben, wie ein Tablet. Wieder mit allen Variationen von Grün. Die Landwirtschaft erscheint uns noch sehr nach dem System der Kolchosen organisiert zu sein. Schade, ist es uns nicht möglich mit den Bauern darüber zu parlieren. Nahe der Bahngeleise finden wir ein angenehmes Plätzchen. Das scheint auch den Lockführern zu gefallen. Fast alle lassen beim vorbeifahren ihre Tute kurz aufheulen und winken uns begeistert zu. Mit einem aufkommenden Gewitter, es Blitzt und Donnert dass wir denken die Sintflut bricht aus, müssen wir noch in der Nacht einen wassersicheren Platz im nächsten Dorf aufsuchen. Nun, es war dann doch nicht so schlimm mit dem Regen. In der Industriestadt Pavlodar können wir endlich Kasachische Tenge organisieren. «Nur Bares ist wahres» gilt hier noch sehr verbreitet, auch an Tankstellen. Auf einer mächtigen, gut bewachten Brücke überqueren wir den Ertis. Die grossen Schubleichter und Schubboote die ins Blickfeld kommen, lassen das Schifferherz höher schlagen… Die folgenden 120km konnten wir auf Teerstrasse zurücklegen. Allerdings immer in einer Baustelle für die neue Autobahn! Das wäre mal was für die Schweiz, eine Baustelle von Zürich bis Bern. In Eckibastutz, eigentlich kein Ort, sondern eine Ansammlung von Kohleminen im Tagebau, stinkt es wieder einmal gewaltig in den Himmel! Es wird eine Unmenge an «sauberem Strom» für die sauberen E- Automobile produziert. Dann, Giovanni träumt immer noch davon, fahren wir auf der neuen Autobahn bis zum Ortsschild von «Nur Sultan» wie Astana seit kurzem genannt werden will...
Nursultan Nasarbajew ist der Name des vergangenen unfehlbaren Führers von Kasachstan. Sein Vertrauter Quassym-Schomart Toqajew ist jetzt glaube ich unfehlbar. Eine der ersten Amtshandlungen war eben das erneute umbenennen des Ortes. Es soll jetzt der fünfte unfehlbare Name der, zugegebenermassen architektonisch interessanten Hauptstadt sein. (Wikipedia weiss mehr!)
Die sogenannte «alte Stadt» ist eine gut renovierte Sowjetische Kleinstadt mit Wohnqualität und entsprechend lebendigem Geschehen. Zum 20. Jubiläum der Hauptstadt wurden durch die Regionen Kasachstans Bauwerke gespendet. Herausragend die Fussgängerbrücke, die den alten mit dem neuen Teil der Stadt verbindet. Wir können bei Kamal, im Hof des Hostels Nomad 4x4 stehen und den neuen Stadtteil zu Fuss erwandern. Öfters müssen wir uns kneifen, ist das alles wirklich oder Disneyland?! Alles für Protz und Motz, aber Gehsteige und Treppen die nach kaum 10 Jahren zerbröseln...
Kamal machte mit uns am folgenden Abend eine Stadtrundfahrt bei Nacht, sehr eindrücklich! Am Sonntag konnten wir ein «traditionelles Reiterfest» besuchen. Es haben 10 vornehmlich zentralasiatische Nationen teilgenommen. Auch Bulgarien und Südkorea (?!) letztere ohne Pferde aber dafür waren sie im Ringkampf sehr gut. Aserbaidschan machte sich mit der nie enden wollenden Nationalhymne sehr «beliebt». Insgesamt aber ein gelungenes Fest mit guter Reitkunst.
Die Reise führt uns weiter nach Südosten, durch Qaraghandy einer weiteren Grossstadt. Sie verdankt ihr Dasein der Schwerindustrie. Im 40km Radius verteilt finden sich unzählige Minen und verarbeitende Schwerindustrie. Wenn man sich von ausserhalb nähert, ist die Dunstglocke über dem Gebiet zu sehen und zu riechen! Die Stadt selber ist recht gut in Schuss, mit hübschen Parks und interessierten Menschen. Wir können es feststellen weil wir den Weg mitten durch sie wählen, auf der Umfahrungsstrasse hätten wir alle unsere Plomben verloren. Wir staunen immer wieder, was den LKW Fahrern so zugemutet wird!
Es wird noch ganz Vollgetankt, da es kaum mehr eine Möglichkeit auf den nächsten 375km geben wird. Wir dürfen wieder eine Superbaustelle durchfahren, das meiste auf der alten Teerstrasse. Aber es ist schon gigantisch zu beobachten wenn eine, meist Chinesische Baufirma, einen Abschnitt für die neue Autobahn in Angriff nimmt. Zuerst wird ein Camp planiert, Container zum Wohnen, Arbeiten, Sanitäreinrichtungen und Verpflegungsstätten hingestellt. Aber schon wird das zukünftige Trasse von Bulldozern frei geschoben. Natürlich folgt die neue der alten Strasse, das bringt zusätzlichen Staub und Dreck für den Verkehr. Es soll eine durchgehende Autobahn von Süden (Grenze China) bis in den Norden (Grenze Russland) entstehen. Wenn ich nicht irre, als Teil der neuen Seidenstrasse…
Wir sind im Schnitt auf 550 MüM unterwegs, sehen aber in der Ferne doch ab und an Hügelzüge aus der grossen Ebene ragen. Mit der punktuell ausgeführten Landwirtschaft (Wasserabhängig) ist die Landschaft nicht langweilig. Als 50km vor Balqash an linker Hand der 1242m hohe Bektaüata erscheint sind wir gar erstaunt. Florian und Claudia haben uns von den erstaunlichen Formationen in Astana erzählt, aber wenn sie den vor einem stehen… Das Gebiet ist sehr schlecht vermarktet, so ganz nach der Sowjetischen Art. Kaum für einen Rundgang erschlossen oder gar eine vernünftige Gaststätte, Fehlanzeige. Wir fühlen es deutlich, am besten ist es wenn die Besucher gleich wieder gehen, was wir auch machen.
Auf der schlechten Zufahrt haben die Erschütterungen im Fahrzeug am Armaturenbrett einen Kurzschluss ausgelöst. Das bemerken wir erst bei der Abfahrt, als keine Kontrollleuchten angehen. Dadurch wird die Lichtmaschine nicht zur Stromerzeugung angeregt und wir verbrauchen mehr als nachgeliefert wird. Da ein gutes Taglicht (Abblendlicht) gefordert ist, können wir auf Dauer so nicht weiterfahren. Also wieder ab in die Büsche und auf Fehlersuche. Das ist leider nicht so meine Stärke und ich muss genervt aufgeben. Am anderen Morgen (noch nie waren wir so froh, rauchende und stinkende Kamine zu sehen) in der «Truckerzone» von Balqash, finden wir einen Elektriker der noch weitere defekte Sicherungen findet, aber eigentlich keine Ursache. Die Ablenkung die uns die Seepromenade von Balqash bietet nehmen wir gerne an. Ein angenehmer Schwatz mit einem weiteren Touristen lockert das ganze zusätzlich auf. Der Balqash köli ist auf keiner Karte zu übersehen. Nicht nur seine U-Förmige Lage im Osten von Kasachstan, sondern weitere Besonderheiten sind interessant. So ist er durch die Halbinsel Üzynaral tübegi in seiner Mitte beinahe zweigeteilt. Dieses Engstelle teilt das westliche Süsswasser in einen salzigen östlichen See. Die Flusseinmündungen liegen mehrheitlich im westlichen Teil. Dieses Gebiet nennt sich (zumindest auf der Karte) Land of Seven Rivers. Der See hat auch keinen Abfluss, alles Wasser verdunstet. Nebenbei, Balqash hat ebenfalls Schwerindustrie und das Erz kommt teilweise vom südlichen Seeteil mit Schubverbänden, alles noch Made in Sowjetunion.
Weiter geht es Südostwärts, dem See entlang. Ab dem «Bahnhof» (5 Häuser) Saryshaghan wird die Uferzone recht schön, ab und an sogar sehr schön. Ein einziges «Kaffe» erkennt die touristischen Möglichkeiten, den für Sonnenhungrige sind einige Strandabschnitte bemerkenswert. Der Staat meint jedoch, mit schikanierenden Polizeikontrollen genügend zu erwirtschaften… In Myngaral und Umgebung wird wieder mal etwas aus der Erde gebuddelt, die Fördertürme sind weit herum zu sehen. Nahe der Fischereikolchose finden wir ein schönes Plätzchen und können das erste mal auf der Reise einen angenehmen Schwumm geniessen, dass war richtig erholsam. Am Südende vorbei in einer Baustelle, wird der Giovanni wieder so richtig geschüttelt, so dass die Sicherung raus fliegt.
So beschliessen wir, direkt zu IVECO in Almaty durchzufahren. Gerade bei Betriebsschluss kommen wir auf den Hof, wir werden auf den nächsten Morgen vertröstet. Der Disponent lädt uns ein, im Hof zu Übernachten «wie die anderen Traveler» (es gab einige Besucher in diesem Jahr). Am anderen Morgen kümmerte man sich auch um Giovanni… Nach Erklären mit Händen und Google, Abschmieren ect. wendeten wir uns dem Einkaufen und Baden im nahen luxuriösen Freibad zu.
Kurz vor Feierabend war so einiges klar, Bestellungen wurden keine ausgeführt (Öl und Filter im Gestell habe ich gesehen). Die anstehenden Reparaturen nicht erledigt (keine Teile) einzig ein blankes E-Kabel gefunden und abisoliert… Sei es wie es sei, nach einer weiteren IVECO Hof-Übernachtung machten wir uns auf die von weitem sichtbaren Schneeberge zu besuchen.
Vom Norden geht es in den Süden von Almaty. Diese Millionenstadt ist schon ein anderes Kaliber.
Mächtig Verkehr, mächtige Gebäude, mächtige Berge im Hintergrund und mächtig viele Menschen.
Nur Hauptstadt darf sie nicht mehr sein, aber sie begehrt auf, mit mächtig schönen Parks und Blumen wo es nur geht. Sind sehr beeindruckt. Durch ein properes Villenviertel steigt das Strässchen hinein in das Tien Shan Gebirge. Die beiden wesentlichen Gebirgszüge, mit 7000er Gipfeln im Dreiländereck zu Kirgisistan und China, werden uns in den nächsten Wochen begleiten. Aber hier in Almaty werden wir zum ersten mal von ihnen beeindruckt. Das Strässchen steigt und steigt, wird mal unterbrochen von der Zahlstelle für den Ile Altau NP. Dieser grosse Park umfasst drei Täler die in die massive Bergwelt hinauf führen. Oberhalb des fast leeren Stausees ist dann mal Pause. Vor einer Weiterfahrt müssen wir uns bei der Armee registrieren lassen, nicht dass wir noch einen Gipfel klauen! Weiter die Serpentinen hinauf, am Tien Shan Observatory vorbei, bis 200m vor das Ortsschild von Kosmostanzia. Zuerst können wir das ganze nicht so richtig einordnen. Es hat hier auf 3300m Wolkenschleier, gespenstische Sonneneinstrahlungen und gleich wieder Nieselregen im Halbdunkeln. Um uns Blechbaraken aus geplätteten Fässern, ein altes Kohleheizwerk, eine Ruine eines Bulldozers… Dann ein propperer Bewohner der scheinbar unbeschädigt seinen Husky Gassi führt. Er kann uns Ansatzweise verständlich machen, dass der «Blechort» ein Forschungskomplex mit dem Observatorium bildet. Aufgebaut, wir wissen es schon, durch die Sowjetunion und halt noch nicht abgeschafft. Verständlich, der Russische Weltraumbahnhof liegt ja auch in Kasachstan...
Also, der Nieselregen wird zum Graupelschauer, so machen wir uns auf die Talfahrt, die sich schwieriger gestaltet als gedacht. Vor der Militärschranke hat sich der Ausflugsverkehr aus Almaty aufgestaut und versperrt den Weg. Schleichend mogeln wir uns durch den Stau und es kommt wie es kommen muss, an einem Schrotthaufen von Taxi bleibe ich mit meinem Begrenzungslicht hinten am Kotflügel hängen und beschädige etwas Rost. Das Geschrei das nun ausbricht kann sich kaum einer Vorstellen, beinahe hätte der Schalldruck eine Lawine ausgelöst. Dabei wollte ich den Schaden regeln! Unterhalb des Stausee ging es durch den flachen Bach zu einem schönen Plätzchen, ideal zum regenerieren. Am Flüsschen hatte es schon einige Familien, deren Grillfeuer einen feinen Fleischduft verbreitete. Es nahm die Leute schon Wunder, was für welche wir sind. Der nächste Nachbar kam mit einem Teller Grillade und Tomaten vorbei und er begrüsste uns aufs wärmste. So tröpfelte immer wieder jemand zu uns ans und Auto versuchte ein Gespräch über das woher und wohin. Manche konnten Englisch oder gar ein paar Worte Deutsch. Noch nie fühlten wir uns so willkommen wie hier am murmelnden Bach. Sergej fragt schüchtern, ob wir eventuell Knetmasse für die Reparatur seiner beschädigten Ölwanne hätten. Haben wir und als er mit Erfolg seine Reparatur ausgeführt hatte gab es wieder einen Berg Grillade. An diesem Sonntag wurden wir richtig «überfüttert»!
Am anderen Morgen ging es auf Wanderschaft. Per Pedes wieder hinauf zum Stausee und an diesem entlang in das malerische Tal. Es gab wieder nette Begegnungen mit anderen Berggängern. Erstaunlich, wie viele Ausländer sich hier in die Berge wagen. Gestern ein Ehepaar aus Lobith NL, in russisch-kasachischer Begleitung. Heute eine Gruppe junger Russen und beim Abstieg ein deutsches Paar aus dem Allgäu, also praktisch Nachbarn. Das war der Armee im Gebiet dann doch etwas verdächtig, bevor wir den Damm überqueren konnten, mussten sie uns kontrollieren, auch hier gibt es eine Grenzzone... Zurück am Auto haben wir neue Nachbarn und das beschnuppern begann von neuem. Jedoch immer angenehm, keiner wollte sich vor der Türe niederlassen…
Über Almaty geht es über flaches, bewässertes Land nach Esik und da hinauf zum Issk See. Es ist wesentlich angenehmer auf 1500 MüM die Nacht zu verbringen als in der schwülen heissen Ebene. Auch dieser See ist bis auf einen kleinen Rest leer. Jedoch wie es scheint, weil der Damm schon Jahre undicht ist. Im eigentlichen Seegrund hat sich ein schöner Laubwald gebildet und die Besucher nutzen dieses zum Campieren. In Esik finden wir zufällig eine Autoapotheke. Der Chef ist deutschsprachig und kann uns das notwendige Achsenöl verkaufen. Einen Luftfilter bräuchte ich auch noch, kein Problem, meint er. Nur bei den gewünschten Stossdämpfern muss er passen, nicht erhältlich in Kasachstan. So machen wir uns auf nach Türgen um das letzte und längste Tal zu besuchen. Hier rauscht ein kräftiger Gebirgsbach durch das teilweise enge Tal. Der höchste Berg der Region können wir auch hier nicht richtig bestaunen. Der Mt. Talgar (4973m) will uns sein Angesicht nicht zeigen. Dafür Regnet es wieder einmal und der versprochene Luftfilter ist da, aber er passt nicht…
Zügig kommen wir weiter durch ein sehr breites Tal nach Osten. Weit im Norden, der für uns unsichtbare See Qapshaghay und rechter Hand die Ausläufer des Gebirges. Fast alles Wasser das aus dem Gebirge kommt wird zur Bewässerung der vielen Obstplantagen verbraucht. Die Aprikosen, so süss und fruchtig, ein Wucht! Am Nachmittag erreichen wir den spektakulären «Sharyn Canyon» hier ganz im Südosten von Kasachstan. Leider will sich die Bewölkung nicht richtig auflockern. Mal sehen, eventuell am nächsten Morgen. Da wird es weiter gehen, über Kegen nach Kirgisistan.